Ein „Vater-Sohn Projekt“ von Rouven Lipps und Andreas Paul
Rouven (27) hatte schon länger den Wunsch Menschen und Organisationen zu erleben und Orte zu besuchen, zu denen es seinen Vater Andreas seit langem immer wieder hinzieht. Die beiden versuchten daher, in 11 Tagen möglichst viele Begegnungen und Erfahrungen unterzubringen. ein Ding der Unmöglichkeit…?
Als „Basislager“ durften wir im Gästehaus der Sionsschwestern in Ein Karem, Jerusalem zu Beginn, Mitte und Ende unserer Reise übernachten. Die herzliche Gastfreundschaft der vier Novizinnen und der verantwortlichen Sr. Juliana Baldinger NDS haben wir sehr genossen, ebenso wie die Begegnungen mit den anderen Schwestern der Gemeinschaft Notre Dame de Sion in Ein Karem. Für Rouven, der sich ansonsten viel im Kontext des „Global Ecovillage Networks“ (GEN) bewegt, war es bereichernd viele Elemente gemeinschaftlichen Lebens in dieser kirchlichen Umgebung wiederzufinden. GEN ist weltweites, konfessionsunabhängiges Netzwerk größerer und kleinerer Ökodörfer und Gemeinschaften, in welchen sich Menschen einem möglichst ganzheitlich nachhaltigem Leben verschrieben haben; ökologisch, ökonomisch, sozial, kulturell.
Den ersten Tag (Donnerstag 16.11.) nach der Ankunft verbrachten wir in Bethlehem mit Vertretern des Arab Educational Institute (AEI – www.aeicenter.org). Diese Partnerorganisation von Pax Christi International führt das „Sumud Story House“ (Sumud arab. صمود Festhalten, Standhaftigkeit) im Erdgeschoß eines Hauses direkt an der alten, vierspurigen Einfallstraße nach Bethlehem, welche heute von der neun Meter hohen Betonmauer abgeschnitten und geteilt wird. Hinter ihr befindet sich das Rachelgrab, welches extremistische religiöse Juden für sich alleine beanspruchen – die eng gewundene Mauer ermöglicht ihnen den Zugang.
Rania Murra, die verwitwete Tochter des Gründers Fuad Giacaman erzählte uns, wie sich Frauen regelmäßig zum Gespräch, Singen und Essen in dem Haus treffen, so, wie sie es auch bei sich zu Hause tun würden. Die Treffen wurden von einer Frau des Wohnviertels initiiert, welches durch die Mauer vom Aussterben bedroht ist. Um Abwanderung und Angst entgegenzuwirken versammeln sich die Frauen und sprechen über ihre Situation, Alltagssorgen und -freuden. Außerdem ist ein Jugendprojekt des AEI im Haus untergebracht.
Auf Grund gekürzter Fördergelder muß das Haus Anfang nächsten Jahres geschlossen werden, wenn sich keine neuen Mittel finden. Derzeit arbeitet Rania unentgeltlich und finanziert Miete und Betriebskosten mit privatem Geld. Sie führt gleichzeitig mit ihrem Sohn ein Kosmetikgeschäft. Jede Spende ist eine wertvolle Hilfe!
Fadi Abu Akleh, ein junger Medientechniker führte uns dann durch die Stadt und erzählte von seiner Zusammenarbeit mit dem ZDF. Am 24.11. wurde ein Konzert in der Katharinenkirche neben der Geburtskirche aufgenommen, welches am 24.12. (19:15 – 20:15, „Weihnachten in Bethlehem mit Markus Lanz“) gezeigt wird. Die Einladung zu dem Konzert nahmen wir letztlich nicht wahr: Besatzung, Mauer und nahezu kein öffentlicher Verkehr in Israel am Shabbath können auch nur 12 km zu einer Herausforderung machen.
Im Gespräch zu dritt erzählte uns Fadi von seinen Begegnungen mit syrischen Flüchtlingen in Deutschland. Eingeladen von Pax Christi Deutschland kam er mit jungen geflüchteten Männern aus dem Nahen Osten in Kontakt. Er erlebte, wie sich diese auf arabisch über die Qualität der Asylunterkünfte und ihre Behandlung als Asylsuchende beklagten. Fadi erlebte ein großes Anspruchsdenken, das er ihnen gegenüber in Frage stellte.
Zu zweit waren wir unterwegs zur Milk Grotto Church zurück zu unserem Quartier. Ein stechender Geruch ließ uns Zuflucht nehmen im Wi’am Center (www.alaslah.org) das Andreas von früheren Reisen her kannte. Das Zentrum für Konfliktlösung liegt Direkt an der Mauer. Wir spürten noch die Nachwirkungen eine fast tagtäglichen Tränengaseinsatz des israelischen Militär im nahe gelegenen Flüchtlingslager Ai’da Camp.
Das AEI organisierte uns als „Homestay“ eine Nacht im Haus der Familie Anastas, welches von drei Seiten von der Mauer umgeben ist. Die Familie lebt alleine in einem Doppel-Haus; Übernachtungsgäste und ein selten besuchter Souvenirshop sind eine geringe Einnahmequelle. Der Bruder, dem der andere Hausteil gehört ist mittlerweile mit Familie ausgewandert. Die Autowerkstätte des Vaters ist zusammen mit mehreren anderen vor einem Jahr vom israelischen Militär zerstört worden wegen des Verdachts illegaler Waffenproduktion. Mittlerweile wird zugestanden, dass es sich um eine Verwechslung gehandelt hat, Schadenersatz gibt es jedoch keinen.