Am morgen des zweiten Wandertages (Donnerstag 23.11.) unterhielt sich vor allem Rouven noch mit der Gastgeberin über die Ansätze der permakulturellen Kreislaufwirtschaft die hier umgesetzt wurden. Nach einem nahrhaften selbst gemachten Frühstück zogen wir bei strahlendem Wetter weiter! Die Unterquerung der mittlerweile zu einer Autobahn ausgebauten Nationalstraße 77 war etwas schwierig. Offenbar befanden wir uns irrtümlich auf einer veralteten Route des Weges.
Dann ging es über ein gutes Stück Römerstraße durch schöne Landschaft. Faszinierend, welch ausdifferenzierte Straßenbautechnik die Römer in allen Teilen ihres Reiches anwendeten, sodass wir noch heute die Überreste jener Straßen sehen können, auf denen bereits vor über 2000 Jahren mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch Jesus gegangen sein muß!
Immer wieder geht es durch Aufforstungen der letzten Jahrzehnte, für die auch eifrig geworben, Geld gesammelt und zum eigenständigen Pflanzen von Bäumen eingeladen wird. Mulmig zumute wird einem nur, wenn man daran denkt wie wenige Kilometer neben diesen Wäldern Olivenhaine palästinensischer Bauern zerstört werden oder wurden; sei es zum Bau der Sperranlage oder illegaler jüdischer Siedlungen.
Wir wandern vorbei an fruchtbaren landwirtschaftlichen Feldern und am Gedenkort für die Opfer der Shoah am Rande des Kibbuz Lavi. Die Sonne und das kühl trockene Wetter tun uns gut. Die Hinweise auf Trinkwasser auf der Jesus Trail Landkarte und die öffentlichen Wasserstellen erinnern daran, daß im Sommer Wasserbeschaffung und ausreichendes Trinken ein lebenswichtiges Thema ist.
Die Natur ist schon wieder grüner als im Hochsommer und wir sehen die ersten herbstlichen Zyklamen und andere Blumen. Auch die Oliven sind erntereif, aber noch am Baum.
Langsam bewegen wir uns auf die markanten Gebirgsformationen der Hörner von Hittin und den Arbel zu. An beiden Orten findet man eindrucksvolle Reste antiker Synagogen, die auf frühe jüdische Gemeinden auf diesen Bergen hinweisen.
Beides sind auch Orte bedeutender geschichtlicher Ereignisse, leider beide mit Krieg und Tod verbunden. In den Steilhängen des Arbel gibt es Höhlen, die immer wieder als Befestigung und Rückzugsort bewaffneter Gruppen dienten. Der jüdische König Herodes der Große hat dort mit Hilfe römischer Soldaten die Anhänger des hellenistisch geprägten Hasmonäerkönigs Antigonus besiegt. Josephus Flavius beschreibt die Bedeutung dieser Höhlen im Ersten Jüdischen Krieg 66 CE.
In der Julihitze 1187 wurde das Kreuzfahrerheer durch die Truppen Sultan Saladins am erloschenen Vulkankegel Hittin entscheidend besiegt, was zum Ende des Königreich Jerusalem führte. Vorausgehend hatten Kreuzfahrertruppen immer wieder muslimische Karawanen überfallen und damit einen Waffenstillstand nicht geachtet.
Es gibt mehrere Möglichkeiten den Weg zum See Genezareth hinunter zu gehen. Der bequemste und historisch wohl üblichste ist durch das Wadi al-Hammam hinunter. Schon der Name weißt auf reichlich Wasser hin was wir nach den Regenfällen der Vortage vermeiden wollten. Ein spannender steiler Abstieg geht direkt die Klippen hinunter, von wo aus noch ein gutes Stück Straße nach Tiberias zu gehen ist. Wir entschieden uns über die nord-östliche Flanke des Berges auf einem bequemen Weg mit wunderbarer Aussicht auf den See, das gegenüberliegende Ufer und den Golan bzw. die Bergrücken von Jordanien abzusteigen. Dabei hat man auch einen sehr guten Blick auf das Gelände der antiken Stadt Magdala. Die Heimat einer der engsten Vertrauten von Jesus, Maria Magdalena, war eine bedeutende Stadt, was mit den erst vor wenigen Jahren begonnen Ausgrabungen entdeckt worden ist. Eine Synagoge mit einer Bimah (Thoralesepult) aus Stein ist ein seltene Besonderheit! Sie zeigt Symbole für den ersten und zweiten Tempel auf je einer Seite. Mehrere Mikwen (rituelle Bäder) in größeren Villen weisen auf einen großen Wohlstand dieser Stadt, deren Namen „Die Elegante“ bedeutet, hin. Heute entsteht dort ein sehr großes Hotel und Studienzentrum der Legionäre Christi mit einer architektonisch bemerkenswerten Kirche mit Blick auf den See. Wie wir wandernd sehen konnten verschwinden die historisch und kulturell einzigartigen Funde leider neben der Größe der modernen Gebäude.
Entlang des Sees, teilweise durch warme Quellen, wie sie vielfach in der Gegend zu finden sind, gehen wir die letzten Kilometer unserer Wanderung bis zum Gästehaus „Casa Nova“, das von der Gemeinschaft „Kononia Johannes des Täufers“ geführt wird. Dieses Haus aus dem 19. Jhdt direkt an der Seepromenade beeindruckt mit dem schwarzen Basalt, aus dem es gebaut wurde. Giacomo bereitete uns wieder ein herzliches Willkommen. Nach wohltuender Dusche und Pflege von Andreas‘ Blasen auf den Fußsohlen spazierten wir Abends über die wenig bevölkerte Promenade zum ehemaligen Gästehaus der Russen, in dessen Restaurant wir einen köstlichen Petersfisch bekamen.