General

Geistlicher Abend, St. Ignatius

Predigt beim Geistlichen Abend der Jesuiten am Alten Dom / Ignatiuskirche in Linz.

Auf Einladung von P.  Johannes darf ich heute von Erfahrungen in den letzten beiden Monaten erzählen.

Vielleicht sind die Gedanken die ich euch mitteilen darf sogar in dieser Novene um Berufungen für die Gesellschaft Jesu am richtigen Ort?

Da meine Frau und ich derzeit ein Sabbatical Jahr genießen dürfen, waren wir zwei Monate im Nordosten von Canada und USA unterwegs. Im Reiseführer fand ich den Hinweis auf Orte in der heutigen Provinz Ontario in Canada, an denen Jesuiten in der Mitte des 17.Jhdts unter den einheimischen Huronen bzw. Wendat lebten. So führte uns unsere Reiseroute nach Midland dem Ort des heutigen „Martyr’s Shrine“ neben dem wieder aufgebauten Dorf „St. Marie among the Hurons“. Am 22. September kamen wir in diesem wichtigsten Wallfahrstort Canadas an. Die Bedeutung dieses Ortes wurde uns erst durch die Vielzahl der anwesenden Menschen langsam bewußt. Es war gerade der Jahrestag der kanadischen Märtyrer. Der Gottesdienst war schon vorbei. Fr. Pat aus Indien führte uns zur Agape in die Kirche. Bei Kaffee und Kuchen feierten die Menschen das Andenken an die 7 Jesuiten und einen Voluntär die im 17.Jhdt von Irokesen ermordet worden sind. Ein von Jesuiten geführter Wallfahrtsort, eine neue Erfahrung für mich.

In der Kirche St. Josef im benachbarten ehemaligen Missionsdorf „St. Marie“ standen wir an den wohl authentischen Grabstellen der Hl. Jean de Brebeuf und Gabriel Lalemant. Über 1000km entfernt von Quebec von wo aus diese Jesuiten in Kanus sich auf den Weg gemacht hatten um das Evangelium zu verkünden bekam ich langsam eine Ahnung von der Mühe und dem Einsatz den diese Jesuiten auf sich genommen hatten. Die Franzosen hatten das Land erobert. Franzöische Jesuiten wollten sich unter dem Volk der Wendat niederlassen um die Frohe Botschaft durch Entwicklungsarbeit und Glaubensverkündigung zu leben. Zuerst waren sie ganz auf die Unterstützung der Einheimischen angewiesen, bis sie eigene Gebäude und eine eigene Ernte hatten. Dies gab ihnen Gelegenheit die Bräuche und Sprache der Wendat kennen zu lernen. Es entstanden die ersten Niederschriften in der Sprache der Wendat und ein Wörterbuch. In den Dörfern der Wendat lebten die Jesuiten auch in den gemeinschaftlichen Langhäusern, was für sie sehr fremd und oft mühevoll war. In den langen Winternächten bot dies allerdings auch gute Gelegenheiten die Menschen kennen zu lernen und ihnen mehr oder weniger erwünscht den christlichen Glauben zu predigen. Die Bedeutung einer gut fundierten Glaubensunterweisung war den Jesuiten in Canada so wichtig, dass sie gut zehn Jahre lang Taufwerber nur in äusserster Lebensgefahr tauften. Sie wollten zuerst sicherstellen, dass die christlichen Glaubensinhalte in gut verständlicher Weise in die Sprache der Wendat übersetzt sind. Und wie übersetzt man Trinität in eine indianische Sprache, als Wort und in seiner Bedeutung? Am 16. August 1637 wurde der 35 jährige Joseph Chiwatenhwa nach langem Katechumenat getauft. Er entwickelte sich zum besten Freund und Unterstützer von Fr. Jean Brebeuf und zu einem Vorbild der Gläubigen dieser neuen Kirche.

St. Marie war die größte der Gründungen und als Ort der Erholung und Ausbildung für Jesuiten und Einheimische gedacht. Hier konnten die Jesuiten Urlaub vom anstrengenden Leben in den Dörfern machen, sich für Exerzitien zurück ziehen und in den handwerklichen Werkstätten konnte die Wendat Bevölkerung europäische Techniken der Schlosser, Tischler, Schuster und Bauern kennen lernen. Von besonderer Bedeutung war auch das kleine Krankenhaus in dem die Jesuiten verzweifelt gegen die von den Europäer eingeschleppten Seuchen ankämpften. Das trotz deren Bemühungen viele Einheimische an Windpocken starben war mit ein Grund, dass die Jesuiten auch massiv angefeindet wurden, vor allem von den Irokesen.

Ein Anliegen der Jesuiten war der Versuch den lange währenden Konflikt zwischen Wendat und Irokesen zu versöhnen. Viele Drörfer der Wendat wurden immer wieder von Irokesen angeriffen und hatten Mühe ein friedliches, zunehmend auch christliches Gemeinschaftsleben zu festigen. In den Jahren 1642 bis 1649 starben sieben Jesuiten und ein Volontär den Märtyrertod. Im März 1649 wurden Fr. Jean Brebeuf der wohl am stärksten charismatische und engagierte dieser Männer und Gabriel Lalemant auf besonders grausame Weise getötet. Es scheint so, als ob die sonst nur tapfersten Kriegern vorbehaltene Marter, eine, wenn auch für mich schwer verständliche, Ehrung Brebeufs durch die feindlichen Irokesen war. Der damalige Superior Fr. Paul Raguenau berichtet, dass St. Jean Brebeuf in tiefer Verbundenheit mit Jesus lebte, sodaß ihm dieser oft erschienen ist, meist mit dem Kreuz. Das eigene Kreuz anzunehmen, als eine Antwort auf das Leiden Christi war die Haltung, mit der Brebeuf letztlich auch gestorben ist. Bald darauf mußte Fr. Raguenau einsehen, dass die Situation für die Jesuiten und die christlichen Wendat zu gefährlich und unhaltbar geworden ist. Alle Bemühungen um ein friedliches Nebeneinander von Wendat und Irokesen waren gescheitert und das zunehmende Interesse vieler Wendat am Christentum drohte auch deren eigenes Volk zu spalten. So fällte Fr. Raguenau schweren Herzens die kluge Entscheidung, St. Marie als Missionsstation aufzugeben und weg zu ziehen.

Erst im 20.Jhdt wurden die Gräber im nieder gebrannten Dorf entdeckt und sowohl das Dorf als museales Zeugnis für das Leben dieser ersten einheimischen Christen und die heutige Wallfahrtskirche gebaut. Der Same einer Verkündigung die sehr darum bemüht war, die einheimische Bevölkerung in ihren Freuden und Sorgen ernst zu nehmen und in ihrer Kultur kennen zu lernen, ist nach einem ersten Scheitern doch aufgegangen. Vielleicht sind es diese Erfahrungen an die P. Nicolas der derzeitige General der Jesuiten dachte, als er die Bischöfe der letzten Synode zum Thema Evangelisierung zu stärkerer Gewissenserforschung bezüglich früherer Evangelisierungsmethoden aufforderte. Das Zeugnis von Fr. Brebeuf und seiner Mitbrüder entspricht sicher dem was P. Nicolas als den Königsweg der Evangelisierung bezeichnet: „die Demut, die Einfachheit der Botschaft und ein glaubwürdiges Leben“. Sicher entspricht dies auch dem Wort von Papst Johannes Paul II als er 1984 diesen Ort besuchte. Mit Blick auf die Märtyrer und frühen einheimischen Christen sprach er von einem „Haus des Gebetes und Heimat des Friedens“ das durch die damalige Mission geschaffen worden war.

Diese Athmosphäre von Frieden und Gebet war für mich deutlich zu spüren auf dem weitläufigen Parkgelände in dem der Martyr’s Shrine steht. Bei einer Vielzahl von kleinen oder größeren Altären gedenken Menschen unterschiedlichster Nationen ihrer Opfer von Gewalt oder feiern das Ringen um Frieden dieser Menschen. Nach dem wir in unserem Motorhome auf der Straße unweit des Papstaltars übernachten durften, habe ich in der Ruhe des Morgens die Altäre von Portugiesen, Polen, Wendat, Ukraine, Slowaken, Kroaten, Chinesen, Chaldäern, Italienern, Deutschen und manch anderen besucht. Im Gebet spürte ich Verbundenheit mit so vielen Menschen die im Laufe des Jahres hier her kommen und um Frieden in der Welt und in ihrem je eigenen Land zu beten. Als ich realisierte, dass es noch keinen Altar Österreichs gibt, kam mir Idee und Wunsch, dass dies auch ein geeigneter Ort wäre unseres Seligen Franz Jägerstätter zu gedenken als Impuls für eine gewaltfreie und friedliche Welt.

Dankbar und bereichert durch die Weise in der die Jesuiten und mit ihnen viele Gläubige damals und heute Christi Gegenwart und Antlitz in der Welt sichtbar machen, konnten wir unsere Reise fortsetzen. Fast wären wir wieder gekommen am 21. Oktober dem großen Festtag für die Christen der Wendat und Mohikaner. Es war eine besondere Würdigung dieser Christen, dass Kateri Tekakwitha, die Lilie der Mohikaner als erste einheimische Frau heilig gesprochen wurde. Die letzten Worte ihres mit 24 Jahren früh vollendeten Lebens „Jesus – Maria – ich liebe Dich!“ sind herausragendes Beispiel für die Einfachheit der Botschaft die wir verkündigen und tiefen Verbundenheit mit Jesus die wir in unserem Leben suchen. Amen.