Trotz anderer Wettervorhersage begrüßte uns auch der Mittwoch (22.11.) mit Regen. Da brauchte es schon etwas innere Überwindung um uns auf den geplanten Fußweg nach Tiberias zu machen! Wir wollten zwei Tage entlang des Jesus Trail der Route folgen, der schon vor uns tausende Menschen auf ihrer Reise von den Höhen Galiläas zum See Genezareth hinunter gefolgt sind. Die Topographie gibt vor, wie man hier am besten geht, und so wird auch Jesus Teile dieses Weges öfters benutzt haben.
Nach Erklimmen der Höhe von Nazareth öffnet sich der erste Blick auf die Ebene Galiläas, die sich über die Klippen des Arbel und die Hörner von Hittin zum See Genezareth hinunter zieht. Über fruchtbare Böden, die im feuchten Zustand massig an den Schuhen kleben bleiben, und leider auch vorbei an unmengen Haus- und Sperrmüll wanderten wir bei angenehm kühlem Wetter nach Zippori hinunter.
Diese Stadt „Sephoris“ war zur Zeit Jesu die Hauptstadt Galiläas und wesentlich bedeutender als Nazareth. Mit einem griechischen Theater, einer Synagoge und prachtvollen Mosaiken („Mona Lisa von Galiläa“) war sie ein Zentrum Hellenistischer Kultur. Den Bewohnern dieser Stadt gelang es auch, eine Vereinbarung mit den römischen Besatzern zu treffen, sodaß ihre Stadt in beiden jüdischen Kriegen (70 und 135 CE) anders als Gamla am Golan oder Jerusalem nicht zerstört wurde. Umso verwunderlicher ist es, daß diese Stadt nie in der Bibel erwähnt wird. Wo soll Jesus in seinen 30 Jahren Leben in Nazareth als Bauhandwerker sonst gearbeitet haben, wenn nicht auch in der nur 12km entfernten „Metropole“? Ob er wohl einmal ein griechisches Theater besucht und von dort das Bild der „Masken“ übernommen hat, welches er in den Vorhaltungen gegen die Pharisäer und Schriftgelehrten verwendet?
Für eine Besichtigung der reichhaltigen Ausgrabungen nahmen wir uns diesmal keine Zeit. Nach einer guten Rast, einem informativen Film und der Reinigung unserer Schuhe wanderten wir weiter Richtung Kana.
Durch Wälder und Olivenhaine führt der vielfältig markierte Weg (auch: Gospel Trail, Israel Trail), und immer wieder stießen wir auch auf rot-weiß-rote „Jerusalem Way“ (www.jerusalemway.org) Aufkleber. Es ist wirklich bedauerlich, wie wenig Achtsamkeit viele einheimische Menschen für die wunderschöne Natur haben. Müllberge überall, wo der Weg unbeirrt hindurch führt – mehr als nur Überbleibsel eines Picknicks. Hat dies mit schlechter Infrastruktur der Müllentsorgung zu tun? Möchten Menschen sich Müllgebühren sparen…? Fragen die offen bleiben. Manchmal reißt einen der Lärm eines Quads das über die Wanderwege rattert aus der beschaulichen Stille.
Im heutigen Kana angekommen, das vermutlich nicht das Kana der biblischen Zeit ist, stärkten wir uns mit Falafel. Es war abzusehen, dass wir die verbliebenen rund 15km bis zu unserem Etappenziel nicht unbedingt vor dem frühen Einbruch der Dunkelheit schaffen würden. Dieser Umstand beschäftigte uns. Klar wollten wir den ganzen Weg zu fuß zurück legen. In wolkenverhangener Dunkelheit durch eher waldige und fremdes Gelände zu wandern erschien zumindest Andreas nicht wirklich attraktiv. Während wir überlegten öffneten sich die Schleusen des Himmels und unvermutet begann es massiv zu schütten! Nicht wirklich glücklich mit dieser Lösung entschieden wir uns dennoch mit dem Bus so nahe wie möglich zum Moshav Ilaniya zu fahren. Dort erreichten wir ziemlich naß unser Nachtquartier, die kleine, auf Tourismus ausgelegte Öko-Farm „Yarok Az“ (https://jesustrail.com/hike-the-jesus-trail/accommodations/yaroz-az-organic-goat-farm).
Wie auch bei uns wird es in Israel immer schwieriger, mit Landwirtschaft ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften. Im Sommer dürften dort viele Wanderer übernachten; wir waren an diesem Abend die einzigen Gäste. Möglichkeit zu Übernachten gibt es im eigenen Zelt, in großen Kuppelzelten („Dome“) und in Privatzimmern. Selbst in den Domes, in denen es recht gemütlich sein kann, erlebt man den Luxus einer Klimaanlage, die uns gut zum Heizen diente. Gemütliche Sitzgruppen im Freien, Esstische und eine Gemeinschaftsküche sind Orte die zu Kommunikation unter den Gästen einladen. Im kleinen Supermarkt des Ortes versorgten wir uns mit dem Nötigen um zusammen mit zurückgelassenen Lebensmitteln früherer Gäste ein gutes Abendessen zuzubereiten. Die Nacht verbrachten wir trocken und warm genug um gut zu schlafen.
Der Moshav Ilaniya ist wie vieles ein geschichtsreicher Boden und Ort. Antike Höhlen und Reste einer byzantinischen Synagoge finden sich dort, außerdem ist er Gründungsort von Ha’Shomer (Der Wächter), einer israelischen Verteidigungsorganisation. Von 1899, dem Jahr der Gründung des Moshav, bis 1948, gab es ein gutes Einvernehmen mit den Bewohnern des benachbarten arabischen Dorfes Shejara, bevor dessen Bevölkerung 1948 vom israelischen Militär vertrieben wurde.