Von Manfred Maurer
Schwester Juliana Baldinger hat Weihnachten heuer schon gefeiert. Und zwar am 6. Jänner. Die aus Meggenhofen stammende Sions-Schwester lebt seit 18 Jahren in dem ägyptischen Dorf El Berba, etwa 300 Kilometer südlich von Kairo. Weil für die koptischen Christen hier der orthodoxe Kalender gilt, fällt Weihnachten auch für die katholische Ordensfrau aus Oberösterreich auf den 6. Jänner, das Fest der Erscheinung des Herrn.
Muslimbrüder wollen Christentum verdrängen
Weihnachten unter Muslimen erfordert wohl ein gewisses Fingerspitzengefühl, zumal in Zeiten wie diesen. Die Lage der Christen am Nil hat sich verschlechtert. Die herrschende Muslimbruderschaft wolle das Christentum genauso verdrängen wie die noch radikaleren Salafisten, sagt der Präsident der Ökumenischen Stiftung Pro Oriente, Hans Marte. „Der Unterschied liegt nur in der Strategie.“ Entführungen koptischer Mädchen, Erpressung von Schutzgeldern und Zwangsislamisierungen seien an der Tagesordnung.
Schwester Juliana kennt all diese Probleme, hat aber mit den Muslimbrüdern, die es auch in El Berba gibt, irgendwie zu leben gelernt. Erleichtert wird dies wohl durch die Tatsache, dass die Sions-Schwestern hier wichtige soziale Dienste erbringen, die auch Muslimen zugute kommen. Schwester Juliana etwa leitet eine Tagesheimstätte für Kinder mit Beeinträchtigungen.
Weihnachten, das unsichtbare Fest
Allzu sehr auffallen wollen die Christen aber nicht. „Weihnachten ist hier ein unauffälliges Fest. Es gibt keine Dekoration auf den Straßen“, berichtet Schwester Juliana. Es sei ein „internes Fest in der Pfarre und in den Familien, von dem in der Öffentlichkeit niemand etwas mitbekommt“.
Fastenzeit statt Punsch-Besinnlichkeit
So unsichtbar der Advent in El Berba auch sein mag, intensiver als die von greller Weihnachtsbeleuchtung bestrahlte Punschstandl-Besinnlichkeit hiesiger Jinglebellismus-Jünger ist er allemal. Die Christen in El Berba bereiten sich auf das große Fest mit Fasten vor. Schwester Juliana: „Wie die orthodoxen Christen fasten auch wir Katholiken 40 Tage vor Weihnachten indem wir keine tierischen Produkte essen.“
An fünf Tagen der Fastenzeit kommt ein Priester zu Exerzitien und zur Abnahme der Beichte in die örtliche Kirche, wo über dem Eingangsportal eine Gedenktafel an jenen Mann erinnert, der 1895 den Bau des Gotteshauses finanziell ermöglicht hatte: Kaiser Franz Joseph von Österreich.
Erst nach der Christmette wird es ein Festessen mit Fleisch geben, was für die Dorfbewohner eine Besonderheit sei, so Sr. Juliana zum VOLKSBLATT. Denn die Fleischlosigkeit ist in vielen Familien auch einem ökonomischen Zwang geschuldet. Die Pfarrcaritas verteilt vor Weihnachten Fleisch, Nudeln, Reis, Tee und Zucker an 70 Familien in Berba, damit die Frauen für den Heiligen Abend kochen können. Das Brot wird in diesen Tagen aus Weizenmehl gebacken und nicht wie sonst aus Maismehl. Auch das ist etwas Besonderes.
Weihnachtsüberraschung in Beirut
Weihnachten wie in El Berba kennt auch Pater Günther Ecklbauer. Der gebürtige Linzer hat mehrere Jahre in Pakistan eine katholische Pfarre geleitet. Auch dort war der Alltag von Armut und einer wenig freundlich gesinnten Umgebung geprägt. Seit September lebt der Oblatenpriester in der Ordensgemeinschaft der Kleinen Brüder Jesu in Beirut. „Schon seit den ersten Adventstagen sind Weihnachtslieder — einschließlich „Stille Nacht“ auf Arabisch — zu hören und überall, wo Christen wohnen, sind Weihnachtssymbole zu sehen. Das überrascht einen, wenn man aus Pakistan kommt“, schildert Pater Ecklbauer seine Eindrücke aus der libanesischen Hauptstadt, wo ungeachtet auch schon passierter Übergriffe gegen Christen islamische Fundis noch nicht die Oberhand gewonnen haben.
Der Advent hat hier schon früher begonnen als bei uns, da es in der Liturgie des maronitischen Christentums — einer mit Rom uniierten Ost-Kirche — sechs Adventssonntage gibt. Dabei werde der Schwerpunkt auf die Kindheitsgeschichte nach dem Evangelium nach Lukas gelegt, so Ecklbauer, während in der römisch-katholischen Liturgie zuerst der Bußcharakter des Advents und die Wiederkunft Christi am Ende der Zeiten thematisiert wird und erst ab dem 17. Dezember gezielt die Geburt Jesu.
Christbäume stehen schon seit Beginn des Advents
Ecklbauer ortet „sogar mehr Präsenz von Weihnachten als ich das aus Österreich in Erinnerung habe“. In allen Geschäften und auf öffentlichen Plätzen stehen Christbäume. Auch in den Wohnungen stehen die Christbäume schon seit Beginn der Adventszeit — und zwar nicht nur bei christlichen Familien. Auch viele Muslime würden zu Hause einen Christbaum aufstellen, weiß der oberösterreichische Priester.
Warum auch Muslime einen Christbaum haben
Das ist gar nicht so abwegig. Ecklbauer berichtet von einer Muslimin, die von europäischen Mitarbeitern einer Hilfsorganisation zum Essen eingeladen und sehr erstaunt war, dass sich kein Christbaum in deren Wohnung befand: „Sogar ich habe einen zu Hause“, sagte die Frau und antwortete auf die Frage nach dem Warum: „Warum nicht? Mir gefällt dieser Baum. Warum soll er mich nicht an den Geburtstag von Jesus erinnern, der doch auch für uns ein Prophet ist?“ Tatsächlich hat Jesus im Koran den Status eines Gesandten Gottes (Rasul Allah).
Es könnte so einfach sein. Denn irgendwie gehören sie doch alle zusammen, die Christen, Juden und Muslime. Nur ein paar Extremisten wollen es nicht wahrhaben…
Quelle: Neues Volksblatt, vom Dienstag den 18. Dezember 2012